Peter Attia über Statine
Peter Attias Perspektive auf Statine: Wirksamkeit, Sicherheit und gängige Mythen in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Dr. Peter Attia, ein renommierter Arzt und Experte für Langlebigkeit, vertritt eine differenzierte und evidenzbasierte Sichtweise zu Statinen in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In seinem umfassenden Artikel legt Attia dar, warum er Statine als wichtiges Werkzeug im Kampf gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrachtet.
Statine und ihre Wirkungsweise
Attia erklärt den Zusammenhang zwischen Cholesterin, Lipoproteinen und der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er betont, dass nicht das Cholesterin selbst das Problem ist, sondern die Apolipoprotein B (apoB)-haltigen Lipoproteinpartikel:
"Nur diejenigen [Lipoproteine], die apoB enthalten, können in eine Arterienwand eindringen, sich ansammeln und oxidiert werden, was wiederum eine Entzündungsreaktion, die Entwicklung von Plaques und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördert." - Peter Attia
Statine wirken, indem sie die Cholesterinsynthese in der Leber hemmen. Dies führt zu einer verstärkten Expression des LDL-Rezeptors, wodurch mehr LDL-Partikel aus dem Blutkreislauf entfernt werden.
Evidenz für die Wirksamkeit von Statinen
Attia präsentiert Beweise für die Wirksamkeit von Statinen bei der Reduzierung des Risikos für Herz-Kreislauf-Ereignisse und Gesamtmortalität. Er zitiert mehrere klinische Studien, die sowohl für die Sekundär- als auch für die Primärprävention positive Ergebnisse zeigen.
Besonders beeindruckend findet Attia die Langzeitwirkung von Statinen:
"Eine 2022 veröffentlichte Metaanalyse von Statin-Studien zeigte eine Reduktion des Risikos für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse um 12% für jede Reduktion des LDL-C um 38,7 mg/dL nach einem Jahr Follow-up und eine 29%ige Risikoreduktion nach sieben Jahren Follow-up."
Frühzeitiger Beginn der Statintherapie
Ein zentraler Punkt in Attias Argumentation ist der Nutzen eines frühzeitigen Beginns der Statintherapie. Er argumentiert, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht nur von der absoluten apoB-Konzentration abhängt, sondern auch von der Dauer der Exposition:
"Ein Individuum, das nach Jahrzehnten des schleichenden Anstiegs auf einen Spitzenwert von 160 mg/dL ein LDL-C von 75 mg/dL erreicht, hat immer noch ein weitaus höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als ein Individuum, das immer bei 75 mg/dL lag." - Peter Attia
Attia zieht hier eine Parallele zum Rauchen, wo das Risiko sowohl von der Anzahl der gerauchten Packungen pro Tag als auch von der Dauer des Rauchens abhängt.
Optimale LDL-C-Werte und der Einsatz von Statinen
Peter Attia vertritt einen proaktiveren Ansatz bezüglich des Einsatzes von Statinen, als es die aktuelle medizinische Praxis vorsieht. Er argumentiert für einen früheren Beginn der Statintherapie:
"LDL-C-Konzentrationen von nur 20-30 mg/dL haben sich als ausreichend für eine gute Gesundheit erwiesen." - Peter Attia
Attia betont, dass die üblicherweise als "optimal" bezeichneten LDL-C-Werte von unter 100 mg/dL den tatsächlichen biologischen Bedarf deutlich übersteigen. Selbst diese "optimalen" Werte können laut Attia mit subklinischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert sein.
Bezüglich des Einsatzes von Statinen argumentiert Attia:
- Standardmäßige Verschreibung: Üblicherweise werden Statine erst verschrieben, wenn das LDL-C bei einem ansonsten gesunden Patienten über 160 mg/dL liegt und der Patient mindestens 40 Jahre alt ist.
- Attias Ansatz: Er plädiert dafür, lipidsenkende Therapien schon vor Erreichen dieses Schwellenwerts einzusetzen.
- Begründung: Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hängt nicht nur von der absoluten apoB-Konzentration ab, sondern auch von der Dauer der Exposition.
Attia fasst zusammen: "Die Behandlung eines erhöhten apoB-Spiegels früher im Leben senkt die kumulative Exposition gegenüber atherogenen Partikeln und damit das lebenslange Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen."
Mythen über Statine
Attia widmet sich der Widerlegung gängiger Mythen über Statine. Er kritisiert Studien, die die Wirksamkeit von Statinen in Frage stellen, und weist auf methodische Schwächen hin:
"Randomisierte Studien sind kostspielig in der Durchführung, daher werden ihre Laufzeiten in der Regel relativ kurz gehalten (<5 Jahre) - zu wenig Zeit, um signifikante Veränderungen des kardiovaskulären Risikos zu sehen, wenn die LDL-C-Reduktionen gering sind, wie es in den von Statin-Kritikern zitierten Studien oft der Fall ist." - Peter Attia
Attia betont auch die Bedeutung der richtigen Messmethoden. Er argumentiert, dass LDL-C allein kein ausreichend genauer Indikator für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist und dass die direkte Messung der apoB-Konzentration aussagekräftiger wäre.
Sicherheit und Nebenwirkungen
Bezüglich der Sicherheit von Statinen vertritt Attia eine ausgewogene Position. Er räumt ein, dass Statine Nebenwirkungen haben können, unterstreicht jedoch, dass diese meist mild ausfallen. Randomisierte kontrollierte Studien haben die Sicherheit von Statinen als lipidsenkende Therapie bestätigt.
- Muskelschmerzen zählen zu den häufigsten Nebenwirkungen. Attia verweist auf eine Metaanalyse, die im ersten Behandlungsjahr einen relativen Anstieg dieses Symptoms um etwa 7% in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigt. Dies entspricht einer absoluten Zunahme von Muskelschmerzen oder -schwäche von 11 Ereignissen pro 1000 Personenjahre.
- Seltenere, aber ernstere Nebenwirkungen wie Rhabdomyolyse (bei weniger als 0,05% der Patienten) und erhöhte Leberenzyme (bei 1-3% der Patienten) werden ebenfalls erwähnt.
- Besonderes Augenmerk legt Attia auf das Risiko für Typ-2-Diabetes. Metaanalysen deuten auf ein moderat erhöhtes Risiko für neu auftretenden Typ-2-Diabetes bei Statineinnahme hin, das auf 9-12% höher im Vergleich zu Placebo geschätzt wird.
Attia betont, dass das Risiko für Typ-2-Diabetes statin-spezifisch ist: Atorvastatin, Rosuvastatin und Simvastatin haben dosisabhängige Überschussrisiken von 10% bis über 40%, je nach Studie. Faktoren wie Statindosis, Behandlungsdauer und Ausgangszustand des Patienten (z.B. vorbestehendes metabolisches Syndrom) beeinflussen dieses Risiko.
Trotz dieser möglichen Nebenwirkungen betont Attia, dass für die meisten Patienten die kardiovaskulären Vorteile des Lipidmanagements die Risiken überwiegen. Er empfiehlt den Einsatz von kontinuierlichen Glukosemonitoren, um Veränderungen der Glykämiekontrolle als möglichen Hinweis auf eine statin-induzierte Insulinresistenz zu überwachen.
Fazit
Peter Attia sieht in Statinen ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er plädiert für einen frühzeitigen Einsatz bei erhöhten apoB-Werten, auch wenn das kurzfristige Risiko gering erscheint. Sein Ansatz basiert auf einer gründlichen Analyse der verfügbaren Evidenz und berücksichtigt sowohl die Vorteile als auch die möglichen Risiken der Statintherapie.
"Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein mächtiger Feind, mit dem wir uns alle auseinandersetzen müssen. Wir haben das Glück, mit den vielen zugelassenen lipidsenkenden Medikamenten, von denen Statine eine effektive und erschwingliche Klasse sind, eine ebenso mächtige Verteidigung zu haben." - Peter Attia
Zu Peter Attias Artikel: Statin-Therapie zur Prävention von ASCVD